Kaum eine Gefäßkrankheit äußert sich in einem so bunten klinischen Bild wie angeborene Gefäßfehlbildungen (Angiodysplasie). Die Ausprägung hängt einerseits von der anatomischen Region und andererseits von der Lokalisation des Gefäßfehlers ab. Davon ist auch die Symptomatik, also das Beschwerdebild, abhängig.
Die Krankheit äußert sich in einem krankhaft veränderten Gefäßbauplan und Blutkreislauf, der zumeist in einem unaufhörlichen Wachstum besteht. Die Fehlbildungen können in allen Organen und Körperregionen auftreten – meist sind Arme, Beine, Becken und Rumpf betroffen. Die fehlerhafte Blutzirkulation in Armen und Beinen oder auch Organen verursacht oft belastende Schmerzen, Schwellungen, Hautverfärbungen und führt zu Folgeerkrankungen mit Schmerzen, Funktionseinschränkungen oder gar Funktionsverlusten.
Äußere Einflüsse konnten bisher als Ursache für die Entstehung angeborener Gefäßfehler nicht festgestellt werden. Es konnten jedoch Gene und Mutationen isoliert werden und damit verschiedene Vererbungsmuster nachgewiesen werden (N.Limaye, M. Vikkula, Molecular and Genetic Aspects of Hemangiomas and Vascular Malformations, in: R. Mattassi, D. A. Loose, M.Vaghi, Ed.: Hemangiomas and Vascular Malformations, Springer, Italia, 2015: 21-38).
Gefäßfehlbildungen entstehen bereits in der Embryonalphase, wahrscheinlich schon in der 6. Lebenswoche des Embryos. In Deutschland kommen etwa zwei bis vier Prozent der Neugeborenen mit angeborenen Gefäßfehlbildungen zur Welt: ein vergleichsweise hoher Wert, wenn man bedenkt, dass die Fehlbildung bei der Geburt häufig nicht erkannt wird. Dabei sind sehr ausgeprägte Fehler oft schon vor der Geburt, also noch im Mutterleib, zu erkennen. Es kann jedoch auch sein, dass zunächst verborgene Formen erst im Jugend- oder Erwachsenenalter sichtbar werden und erst dann Beschwerden verursachen.
Häufig werden angeborene Gefäßfehlbildungen mit dem sogenannten Storchenbiss verwechselt. Im Gegensatz zu einem solchen sog. Blutschwamm (Hämangiom) ist ein spontaner Rückgang von angeborenen Gefäßfehlern jedoch auszuschließen. Aber selbst wenn eine richtige Diagnose erfolgt, wird vielerorts davon ausgegangen, dass angeborene Gefäßfehlbildungen nicht zu behandeln seien. Dies ist ein Fehler, denn mit geeigneten Maßnahmen kann das Wachstum der fehlgebildeten Gefäße der betroffenen Körperpartie gehemmt oder gar verhindert werden. Auch wenn nicht alle Krankheitsformen heilbar sind, so kann doch durch die richtige Behandlung der Krankheitsverlauf deutlich positiv beeinflusst werden. Gerade die frühzeitige Therapie im Kleinkindalter ist besonders erfolgreich.
Im umgangssprachlichen Gebrauch wird bei angeborenen Gefäßfehlbildungen häufig vom Klippel-Trénaunay-Syndrom (Riesenwuchs, veröffentlicht im Jahre 1900 und 1907) gesprochen. Diese Bezeichnung ist jedoch viel zu ungenau und beschreibt mehr die Symptome als das tatsächliche Krankheitsbild. In der 1988 erarbeiteten „Hamburger Klassifikation“ (und der 2020 ergänzten Klassifikation der ISSVA: International Society for the Study of Vascular Anomalies) ist es gelungen, die Krankheit in sechs verschiedenen Katergorien eindeutig zu definieren:
Aneurysma-Resektion (Entfernen der Arterien-Ausweitung) und Gefäßrekonstruktion durch Venen-Interponat (Gefäßersatz)
Extratrunkuläre (frühembryonale) umschriebene venöse Fehlbildung in der Wade. Chirurgische Entfernung der krankhaften Gefäße. Eine alleinige Verödungsbehandlung ist nicht geeignet, auf Dauer die chronischen Schmerzen oder sogar die Fehlbildung zu beseitigen.
Extratrunkuläre (frühembryonale) infiltrierende (in den Muskel gewachsene) venöse Fehlbildung. Chirurgische Entfernung der betroffenen infiltrierten Gewebeanteile (hier Muskulatur) in der Technik nach Belov IV. Auch bei einem solchen Befund ist eine alleinige Verödungsbehandlung nicht erfolgreich.
Extratrunkuläre (frühembryonale) infiltrierende (in den Muskel gewachsene) venöse Fehlbildung am rechten Oberarm. Hauptvene vorhanden, aber verkümmert, sie transportiert nur ein geringes Blutvolumen. Die Fehlbildung transportiert das meiste Volumen, wodurch Stauungsbeschwerden und/oder Thrombosen verursacht werden.
Schrittweise Verringerung der Fehlbildungen und schließlich komplette Entfernung der Fehlbildungen, sodass die vorhandene Hauptvene das anfallende Blutvolumen übernehmen kann (Umleitungsoperation), was zu einem regelrechten Rückfluss des Blutes führt.
Trunkuläre (spätembryonale) venöse Fehlbildung an der Außenseite des Beines (Marginalvene). Hauptvene vorhanden, aber verkümmert. Trunkuläre fehlgebildete klappenlose Vene (Marginalvene) übernimmt das Hauptblutvolumen und verursacht eine massive Stauung. Schrittweise Entfernung der fehlgebildeten Verbindungsvenen und schließlich totale Entfernung der fehlgebildeten Vene (Marginalvene). Bei Kindern hat sich die Operationstechnik nach Loose I zur Identifikation des Verlaufs der Marginalvene bewährt.
Trunkuläre (spätembryonale) venöse Fehlbildung am Bein, klappenlose Embryonalvene (eine Spezialform der Marginalvene mit fehlender Leitvene/Vena Femoralis) und mit zahlreichen kleineren und größeren AV-Fisteln, die zu einem enormen venösen Hochdruck führen und mit damit verbundenen hochgradigen Venenstauungsbeschwerden.
Behandlung durch Embolisationstherapie (Verschluss von krankhaften Gefäßen durch radiologische Kathetertechnik) oder durch chirurgischen Venenverschluss der Fisteln und Rekonstruktion der arteriellen Strombahn durch Kunststoffprothese.
Grundsätzlich sollte eine arteriovenöse Malformation primär durch Embolisationstheraphie (Verschluss von krankhaften Gefäßen durch radiologische Kathetertechnik oder durch direkte Einspritzung von Verödungsmitteln) behandelt werden
Der chirurgische Verschluss der zuführenden Fistelarterie als alleiniges Behandlungsprinzip gilt als Kunstfehler, weil dadurch ein Reiz zur Bildung neuer AV-Fisteln gesetzt wird, sodass das Krankheitsbild deutlich verschlimmert wird.
Extratrunkuläre (frühembryonale) arteriovenöse Fehlbildung im Oberschenkelbereich. Wenn ein interventioneller Verschluß durch Minikatheter-Techniken nicht möglich ist, kommt die Behandlung durch Ultraschall-kontrollierten Verschluss der AV-Fisteln in der Technik nach Loose II in Betracht.
Wenn zum Beispiel nach erfolgter Embolisationstherapie (Verschluss von krankhaften Gefäßen durch radiologische Kathetertechnik) kleinste noch verbliebene arteriovenöse Fisteln nicht mehr mit der Embolisationstherapie behandelt werden können, dann besteht die Möglichkeit, diese arteriovenösen Fisteln chirurgisch unter Ultraschall-Kontrolle zu verschliessen.
Extratrunkuläre (frühembryonale) arteriovenöse Fehlbildung im Oberschenkel mit Einwachsen in die Muskulatur.
Kombinierte Therapie: 1.) interventionell radiologische Embolisationstherapie mit Verschluß der AV-Fisteln, 2.) Chirurgische Entfernung des betroffenen Muskelanteils in Verbindung mit den noch verbliebenen arteriovenösen Mini-Fisteln.